Wettbewerb
Stiftung Bernaville Schwarzenburg

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Fleur de la Champagne Biel

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Gurzelen triple plus

Städtebau
 
Bewusst wird das bestehende städtebauliche Muster mit heterogenen Zeilenbauten übernommen und 3 unterschiedliche Gebäude um einen gemeinsamen Hof gesetzt: An den für Biel bedeutungsvollen Strassenachsen der General-Dufour- und der Falkenstrasse, mit städtisch ausgeprägten 5-geschossigen Strassenfronten und an der Blumenstrasse ein weniger hohes Gewerbegebäude (SIV). Letzteres bildet den Übergang zum kleinmassstäblicheren Wohnquartier auf der Nordseite.
Verbindende Elemente dieser „Trilogie“ sind der gemeinsame Hof und die Wohn- und Arbeitsräume verbindenden Laubengänge, welche einen Parcours durch das Leben der „Champagne-Blume“ ermöglichen. Innerhalb der Siedlung entsteht damit eine lebendige Varietät, eine Art Mikrostadt in der Stadt.
 
In der südöstlichen Ecke markiert eine „leuchtende Krone“ (Orangerie) einerseits die Präsenz vom neuen Leben im Gurzelen-Areal und andererseits den Zugang zum Siedlungshof. Diese Ecke wird sozusagen zum „Leuchtturm“ des Quartiers, sie nimmt Bezug zur gegenüberstehenden Gebäudeecke mit Erker, zum geplanten grossen Quartierplatz und zur zukünftigen Überbauung mit Grünflächen auf dem „Terrain Gurzelen“.
 
Die Verzahnungen mit dem Quartier entstehen über die unterschiedlichen Öffnungen vom Strassenraum zum Hof und über die Erdgeschossnutzungen entlang der Dufour- und Falkenstrasse, die durchgehend vom Strassenraum zum Hof belebt werden. Die BielerInnen haben so die Möglichkeit am Leben in der neuen Siedlung teilzunehmen, sich mit den Bewohnenden auszutauschen, mit Ihnen die verschiedenen „Bühnen“ auf den unterschiedlichen Etagen (Erdgeschossnutzungen, Hof, Terrassen und Gärten auf den Dächern) zu gestalten und zu bespielen. Dadurch werden Ängste vor Fremdem und Neuem abgebaut, Toleranz, Solidarität und Identifikation mit dem Quartier und der Stadt gefördert und Nachbarschaften gelebt. 
 
 
Architektur
 
Die Architektur ordnet sich bewusst der sozialräumlichen Qualität unter. Nicht das Architekturobjekt als solches, mit seiner Form und den gegliederten Fassaden, steht im Vordergrund, sondern die durch die Architektur entstehende Vielfalt an sozialisierenden, erleb- und weiter entwickelbaren Innen- und Aussenräume. Eine Architektur die Begegnungsorte schafft, wo sich unterschiedlichste Menschen austauschen, miteinander auseinandersetzen, sich aneinander reiben und annähern lernen. Diese, die Gesellschaft formenden Räume stehen im Vordergrund und werden mit den, den Parcours ermöglichenden Laubengängen, den Öffnungen vom Strassenraum zum Hof, dem zweiteiligen Hof selber, dem Terrassen-/Treppenturm im Hof und den Dachterrassen lebendig gebildet.
 
Die Individualität und die Gemeinsamkeit die unser Gesellschaftsleben prägen, kommen in der Architektur zum Ausdruck: 3 unterschiedliche Gebäude werden durch den gemeinsamen Hof und die verbindenden Laubengänge, Treppen, Rampen und Terrassen zu einem Ganzen. Die Architektur bildet einen Rahmen, in welchem sich die Menschen entfalten können, mit eigenen Beiträgen sich ausdrücken und gemeinsam etwas entstehen lassen sollen. Die Architektur soll leben, Patina bekommen, nach Jahren wieder belebt werden können und sich durch die BewohnerInnen, den sich immer wieder verändernden gesellschaftlichen Bedürfnissen angepasst und gestaltet werden können. Der architektonische Rahmen wird zur Lern- und Experimentierplattform für Menschen im Quartier.
 
Die Lokalisierung im Ensemble ist klar und für alle gleich, es gibt die Orientierung zum Strassenraum oder die zum Hof. Zum Strassenraum drücken sich die Fassaden unterschiedlich aus: Das Gebäude zur Dufourstrasse mit einem Mansarddach und einer verputzten Fassade gliedert sich in die „Boulevard-Architektur“ ein. Grosse 2-geschossige Fassadenöffnungen strahlen das urbane Leben der Siedlung mit den dahinterstehenden „salon urbain“ in den Strassenraum aus. Die Fassade des Wohngebäudes an der Falkenstrasse wird mit horizontalen, geschosshohen Bändern gegliedert und macht den Übergang zum dritten Gebäude in der Blumenstrasse, dessen Fassaden mit vertikalen Bändern aus dem gleichen Material gegliedert sind. 
 
Einzig zum Hof, mit dem Laubengang und einer hinterlüfteten Fassade, und im Erdgeschoss, mit seinen optisch den Strassenraum mit dem Hof verbindenden geschosshohen Verglasungen, werden die Fassaden einheitlich gestaltet. Beim SIV-Gebäude bildet die Mensa die verbindende Wirkung von der Blumenstrasse zum Hof.
 
Mit dem Mansarddach als bewohnbares Volumen und der hofseitigen Erschliessung dieser Wohnungen über einen Laubengang, kann die gewünschte Dichte erreicht werden, ohne die anderen Dächer zu überbauen. Dadurch können die, im Vergleich zum schmalen Hof, gut besonnten Flachdachflächen als Garten, Terrassen-, Spiel- und Liegeflächen genutzt werden, was dem sozialen Leben und dem Stadtklima förderlich ist.

ObjektWohn- und Gewerbebau Blumenstrasse Süd Biel
BauherrschaftBaugenossenschaft GURZELENplus, Biel
Jahr2021 I 2. Rundgang
MitarbeitGilbert Woern I Hasan Yaman I Cansu Yücel
ZusammenarbeitArchitekten
Bauzeitarchitekten GmbH
Landschaftsarchitektur
ORT AG, Zürich
Bauingenieur
Baukonstrukt AG, Biel
Bauphysik
Prona AG, Biel
Verkher
Planum Biel AG
Soziologie
AggP -
ARGE für gemeinnützige Projektentwicklung, Biel
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Erschliessung, Mobilität
 
Die Haupterschliessung in die Wohn- und Gewerbesiedlung erfolgt für Fussgänger über die Öffnung zum Hof an der südöstlichen Ecke, am öffentlichsten Punkt, gegenüber dem zukünftigen Quartierplatz und nahe an den Haltestellen des öffentlichen Verkehrs. Der Zugang zum Gewerbegebäude (SIV) erfolgt über die Blumenstrasse, wie auch die Zufahrten über Rampen zur Autoeinstellhalle und zum Veloparkhaus.
Mehr oder weniger grosse Öffnungen vom Hof zur Blumenstrasse oder zur Cornouillerstrasse ermöglichen die Durchwegung der Hoffläche und verzahnen die Siedlung mit dem Quartier. Mit vom Hof in den Strassenraum greifenden grossen Bäumen wird die Cornouillerstrasse als verbindende „Werkgasse“ zwischen den Höfen interpretiert.
 
Insgesamt bietet die Anlage Platz für über 230 Fahrräder, davon über 180 in der Einstellhalle und weitere gut 50, gedeckt und ungedeckt, im Hof oder um die Siedlung. In der Autoeinstellhalle können 38 Autos parkiert werden, mit einer Option für weitere 13.
 
Die Anlieferung vom SIV-Gebäude erfolgt über die Cornouiller- und die Blumenstrasse. Entlang der Cornouillerstrasse stehen die Kehricht-Unterflurcontainer der Wohnsiedlung. Die SIV kann ihre Container für die Entsorgungstage an gleicher Stelle hinausstellen.

 

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Sozialräumliche Aspekte, Funktionalität und Aussenräume
 
In der Lücke der zwei Wohnbauten, an der südöstlichen Ecke, zwischen Quartierladen und Café erfolgt der Zugang zum Hof. Die strassenseitige Vorzone in dieser Ecke reagiert bewusst auf den Stadtraum und verankert die neue Wohnadresse im Quartier.
Hier befinden sich der Bio-Laden, die Siedlungslobby mit den Postfächern im Café, die Haupttreppe zu den Laubengängen und die beiden Aufzüge. Beim nach Hause kommen, wird den Bewohnenden ermöglicht ihre Einkäufe im Laden zu machen, die Post an der Empfangstheke abzuholen, ein Feierabendbier mit der Nachbarin zu trinken, in den angegliederten Allmendräumen die Kinder abzuholen, welche an einem Bastelnachmittag für Weihnachten teilgenommen haben, in den Räumen der „Villa Kunterbunt“, den „salon urbain“ im 2.OG für ein Kammerkonzert zu reservieren oder, ganz einfach, die Wäsche in der Waschküche zu holen.
 
Die Bauweise gewährt in der Projektphase eine hohe Umnutzungsflexibilität im Erdgeschoss. So können an Stelle des Co-Work, Wohnateliers geplant werden, welche wiederum eine Ladenflächenerweiterung ermöglichen, falls sie nach einer gewissen Zeit wieder umgenutzt werden sollten. Eine KiTa könnte neben die Flächen der „Villa Kunterbunt“ platziert werden und dadurch den Spielplatz im Hof mitnutzen.
Die Mobilitätsstation im Norden, direkt neben der Velorampe, zur „blumigen Wohnstrasse“ und zur neuen Siedlung Blumenstrasse Nord, kann synergetisch mit der Werkstatt genutzt werden.
Die Mensa vom SIV-Gebäude kann an warmen Tagen in den Hof erweitert und für Abendveranstaltungen (z.B. GV der Genossenschaft) genutzt werden.
 
Über einen Laubengang in den oberen Geschossen sind alle Wohnungen erschlossen. Dieser Laubengang ist Begegnungsort, Verkehrsfläche, visueller und verbaler Austauschort zum Hof. Er ist aber auch Terrasse an der Nachmittags- und Abendsonne. Der Laubengang erschliesst, zusammen mit seinen Treppen und den zentralen Aufzügen die gemeinschaftlich genutzten Räume und Flächen, wie die «salons urbains», die Orangerie mit dem oberen Waschsalon, die Hof- oder die Dachterrassen und garantiert eine Hindernisfreiheit für alle Ebenen.
 
2-geschossige „salons urbains“ können als multifunktionale Gemeinschaftsräume genutzt werden, morgens z.B. als Meditations- oder Yogaräume, im Verlaufe des Tages als Weiterbildungs- oder Übungsräume, als Kleinkinder-Spielräume, abends fürs Pilates oder für ein Kammerkonzert. Sie können in der „Villa Kunterbunt“ für vorgenannte Nutzungen reserviert oder auch, z.B. für Workshops an Auswärtige vermietet werden.
 
In der „Orangerie“ auf der Dachterrasse befindet sich der zweite Waschsalon. Der grosse allseitig transparente Raum kann an klimatisch weniger schönen Tagen als Gemeinschaftsraum, als gedeckter Spielraum und im Winter als „Botanischer Garten“ genutzt werden. Die Aussicht auf den neuen Gurzelen-Quartierplatz und den Jura ist spektakulär.
 
Grundsätzlich stehen verschiedene, gemeinschaftliche Freiräume auf unterschiedlichen Etagen für die Siedlungsgemeinschaft und das Quartier zur Verfügung. Im Erdgeschoss bietet der Hof den Menschen vom SIV, den Siedlungs- und Quartierbewohnenden Möglichkeitsflächen, ist aber auch Erschliessungs-, Durchwegungs- oder Begegnungsraum. Er ist, als offene, bespielbare Kiesfläche, in zwei Bereiche aufgeteilt: Ein offenerer Raum gegen Osten, welcher zum Laden hin als Markt, als Werkhof, als Freibühne, als offener „Gartencenter“, für Feste mit Zelt, als Aussenraum für das Café oder die Mensa vom SIV oder dgl. genutzt werden kann. Im Westen ein durch Bäume beschatteter Bereich, welcher z.B. als Spielplatz für Kinder und Erwachsene (Boulespiel) oder eine KiTa genutzt werden kann. Verbindendes Element der beiden Hofbereiche ist die mit schlanken Säulenpappeln berankte Laubengangkonstruktion und eine ebenfalls berankte Treppen- und Terrassenkonstruktion, welche Verbindungen vom Hof und vom Laubengang (1–4. OG) zum Dachgarten auf dem SIV-Gebäude ermöglicht. Umlaufende asphaltierte „Schwellen“ zwischen den EG-Nutzungen - auch den Ateliers vom SIV - und der offenen Kiesfläche erlauben durch Möblierung und Nutzung eine Aneignung dieser Zonen.
 
Auf einem robusten Grundgerüst aus Wegen und einzelnen Werkzeugboxen, welche geschlossen als Sitzpodeste dienen, eine mit Photovoltaik-Paneelen bedeckte Pergola, einem Arbeitstisch aus Beton, Wasserstellen und einer gleichmässigen Substratschicht von ca. 40 cm, teilweise mit Flusskies, teilweise mit Kulturerde, können die Siedlungs- und Quartierbewohnenden auf der Dachfläche vom SIV-Gebäude Nutz- und Ziergarten, Rasen zum Sonnenbaden oder Sitz- und Liegemöglichkeiten, Wildstauden und Wildsträucher, Platz für Wildbienen, Eidechsen etc., Spielmöglichkeiten für Kleinkinder in Sand und Erde gestalten, pflanzen oder weiterbauen. Über einen eigenen Treppenaufgang haben die Menschen vom SIV-Gebäude ebenfalls die Möglichkeit sich am Leben auf dem Dachgarten zu beteiligen. Eine Rampe vom Laubengang im 3.OG und gut befahrbare Wege auf der Dachfläche garantieren die Hindernisfreiheit zum und auf dem Dachgarten.
Die Dachterrasse im Osten ist geprägt von der Orangerie und der vorgelagerten beschattbaren Struktur. Pflanzen in Gefässen können so angeordnet werden, dass sie im Sommer Nischen oder Kammern auf der Terrasse bilden. Vor der kalten Jahreszeit werden die Pflanzen mit den Gefässen in die Orangerie gezogen, es entsteht ein „Botanischer Garten“, in welchem, kälteempfindliche, mediterrane oder tropische Pflanzen überwintern können. Mit Ausnahme vom nördlichsten, extensiv begrünten Bereich dieser Terrasse, wo ein Teil der Photovoltaikanlage steht, ist die Fläche vor der Orangerie frei möblierbar und dient an Sommertagen zum Sonnenliegen, Wäsche aufhängen, für‘s Kinderspiel, Yoga im Freien oder dgl. An lauen Sommerabenden können Feste gefeiert oder ganz einfach die Aussicht genossen werden.
 
Die grosszügigen begrünten Begegnungszonen und vielfältigen Angebote von Wohn- und Nutzungsräumen fördern das Zusammenleben von verschiedenen sozialen Schichten und Altersgruppen, die Menschen können sich austauschen, Nachbarschaften pflegen, das Leben lernen. Ebenso können die Zwischennutzer vom „Terrain Gurzelen“ sich mit der gleichen Lebendigkeit auf den verschiedenen, gemeinschaftlichen Freiräumen im Hof und auf den Dachflächen weiter entfalten oder eine Bühnenplattform erhalten.

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Wohnungstypologie
 
Die gewählte Gebäudestruktur erlaubt eine grosse Flexibilität von verschiedensten Wohnungstypen. Die vom Strassenraum zum Hof/Laubengang durchgesteckten Wohnungen können je nach Bedarf und Nachfrage in der Projektphase in ihrer Grösse und Typologie angepasst werden, von Vorteil (Haustechnik) befinden sich dann die kleineren Wohnungen in den unteren und die grossen in den oberen Geschossen.
 
Umweltaspekte, Konzepte zur Netto-Null Zielsetzung und zu Stadtklima-Massnahmen
 
Die kompakte Gebäudeform ist für eine kleine Gebäudehüllzahl verantwortlich, begünstigt die energetische Betrachtung wesentlich und erweist sich als grosser Vorteil für die Energiebilanz. Durch den hohen Fensteranteil kann viel Tageslicht in die Räume dringen und solare Gewinne unterstützen den Heizenergiebedarf positiv.
 
Es ist vorgesehen, möglichst erneuerbare Energien für Raumwärme und Warmwasser einzusetzen. Hierzu wird der Anschluss an das bestehende Fernwärmenetz Champagne in Betracht gezogen. Diese produziert die Wärme mit Grundwasser- Wärmepumpen mit Spitzendeckung Gas.

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